B Gemeindeleitung
4 Aufgaben des Presbyteriums
4.2 Seelsorge
Seelsorge ist eine grundlegende Form, in der die Kirche das Evangelium von Jesus Christus bezeugt und dieser Botschaft gemäß handelt. So formuliert es Artikel 188 Absatz 1 KO:
In der Seelsorge nimmt die Kirche ihren Dienst am Wort durch Zuspruch und Tröstung, Ermahnung und Warnung wahr.
Demgemäß gehört Seelsorge zum grundlegenden Auftrag der Kirchengemeinde (vgl. Artikel 8 Absatz 2 KO) und ist davon abgeleitet Aufgabe aller Gemeindeglieder:
Alle Gemeindeglieder tragen füreinander seelsorgliche Verantwortung; insbesondere sollen die Pfarrerinnen und Pfarrer, Presbyterinnen und Presbyter und alle anderen zum Dienst in der Kirche Berufenen das seelsorgliche Gespräch mit den Gemeindegliedern und den nicht zur Kirche Gehörenden suchen (Artikel 188 Absatz 2 KO).
Zu der Frage, was seelsorgliche Verantwortung füreinander bedeutet und wie Seelsorge in der Kirche konkrete Gestalt bekommt, schreibt Präses Annette Kurschus:
„Als Muttersprache der Kirche“ wird die Seelsorge oft bezeichnet. Denn in der Seelsorge kommen die großen Fragen, die tiefen Hoffnungen und die verborgene Sehnsucht eines Menschen zur Sprache. Seelsorge ist ein Herzstück der Evangelischen Kirche von Westfalen. Sie ist uns so selbstverständlich wie der Atem, vollzieht sich jedoch im Verborgenen, im vertraulichen Gespräch unter vier Augen, verschwiegen gegenüber Dritten. Seelsorge wird nicht an die große Glocke gehängt.
Gerade so, auf diese bescheidene Weise, geschieht sie zugleich großartig und verlässlich zu unterschiedlichsten Gelegenheiten und an sehr verschiedenen Orten: vor der Kirchentür, auf der Neugeborenenstation, in einer forensischen Klinik, im Altenheim, im Trauercafé der Kirchengemeinde, im offenen Strafvollzug, beim Schulanfang und im Hospiz, zu Hause beim Geburtstagsbesuch und in der Unterkunft für Flüchtlinge, am Telefon und im gebärdensprachlichen Gottesdienst. Seelsorge hält stand, alltäglich und in Krisen, sie freut sich mit und trauert mit. Auch das ist Muttersprache. Und viele Menschen sind dafür verantwortlich, dass Seelsorge verlässlich und erreichbar ist – im Notfall 24 Stunden am Tag, in der Nacht und an allen Tagen der Woche.
Immer ist Seelsorge Begegnung und Begleitung. Sie macht die tiefe Gewissheit erfahrbar: ‚Du stellst meine Füße auf weiten Raum‘ (Ps 31,9). Seelsorge und Beratung helfen dabei, Freiheit aus dem Glauben zu gewinnen und das eigene Leben aktiv zu gestalten. Sie machen eine besondere Qualität unserer Kirche aus: nahe bei den Menschen – in den Kirchengemeinden, in der Stadt und in ländlichen Regionen, durch spezialisierte Fachdienste und gemeinsame synodale Aufträge, im diakonischen Handeln und im seelsorglichen Wort.
Dazu braucht es das verlässliche Zusammenwirken zwischen denen, die beruflich als Seelsorgerinnen und Seelsorger arbeiten, und denen, die sich ehrenamtlich in der Seelsorge engagieren. So kann Seelsorge als Muttersprache ansprechen, trösten, orientieren und befreien“ (Standortbestimmung: Perspektiven der Seelsorge in der EKvW, Materialien für den Dienst 1/2014, Vorwort, Seite 6).
Dieses verlässliche Zusammenwirken im Dienst der Seelsorge kann in der Kirchengemeinde auf mancherlei Weise geschehen:
Zuallererst gehört Seelsorge in den Dienst der Pfarrerinnen und Pfarrer. Diese haben eine besondere seelsorgliche Aus- und Fortbildung und sind durch die Ordination auch vom staatlichen Gesetz bei der Wahrung des Seelsorgegeheimnisses geschützt.
Auch weitere Personen, die beruflich in der Seelsorge tätig sind, zum Beispiel Diakoninnen und Diakone und Mitarbeitende in Verkündigung, Seelsorge und Bildungsarbeit, können einen bestimmten Seelsorgeauftrag erhalten (vgl. dazu das Kirchengesetz zum Schutz des Seelsorgegeheimnisses, SeelGG, und die entsprechende Ausführungsverordnung der EKvW, AVO-SeelGG).
Unsere Kirche bietet auch Ehrenamtlichen die Mitarbeit in der Seelsorge an. Nach erfolgreicher Teilnahme an entsprechenden Qualifizierungskursen (siehe „Qualifikation zur Seelsorge für Ehrenamtliche in der Seelsorge“) ist die Beauftragung für den Dienst in einem bestimmten Seelsorgefeld (zum Beispiel Seelsorge in Einrichtungen der Altenpflege, Krankenhausseelsorge, Notfallseelsorge) möglich.
Zu den Aufgaben der Presbyterinnen und Presbyter gehört es, die Pfarrerin oder den Pfarrer selbst bei Hausbesuchen zu unterstützen (vgl. Artikel 57 Buchstabe j KO). Durch ihren Kontakt zu Gemeindegliedern können sie auch deren seelsorgliche Anliegen wahrnehmen und das seelsorgliche Gespräch mit der Pfarrerin oder dem Pfarrer vermitteln.
Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass sie Seelsorge in Anspruch nehmen dürfen und ihnen konkret seelsorgliche Begleitung zu vermitteln, ist selbst schon Teil der Aufgabe, füreinander seelsorgliche Verantwortung zu übernehmen.
Diese vermittelnde Funktion können auch geschulte Mitarbeitende eines Besuchsdienstkreises übernehmen.
Seelsorge als selbstverständlicher Ausdruck von Kirchesein geschieht demzufolge in allen Arbeitsbereichen, mit Menschen aller Generationen in ihren je eigenen Lebenslagen. So gehört es zu den Aufgaben des Presbyteriums, dieses bewusst wahrzunehmen und zu fördern, gegebenenfalls neue Räume zu schaffen. Je nach Ort, Situation und Konzeption der Gemeinde kann sich das sehr unterschiedlich konkret gestalten. Einige Beispiele seien genannt:
- Eine verlässlich geöffnete Kirche ist ein Raum, den Menschen gerne aufsuchen und in dem sie gegebenenfalls die Möglichkeit zum Gespräch wahrnehmen, wenn dort eine Ansprechpartnerin oder ein Ansprechpartner zur Verfügung steht.
- Das regelmäßige Kirchcafé nach dem Gottesdienst bietet Raum zum Gespräch, das oft schon seelsorglichen Charakter hat oder aus dem eine seelsorgliche Begleitung erwachsen kann.
- Die Kindertagesstätte, das Alten(pflege)heim und diakonische Einrichtungen wie zum Beispiel Wohngruppen sind Orte mitten in der Gemeinde. Wo solche Orte ihren Platz in der Gemeindearbeit haben, kommt es zu seelsorglichen Be¬gegnungen. Hier gilt es, Ehrenamtliche zu gewinnen, vielleicht Stellenanteile zu schaffen, Angebote der Aus-, Fort- und Weiterbildung zu ermöglichen und zu finanzieren. Unterstützung bei der Qualifizierung Ehrenamtlicher für die Seelsorge bietet der Fachbereich Seelsorge am Insitut für Aus-, Fort- und Weiterbildung der EKvW in Haus Villigst.
- Je intensiver die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, oft in Vernetzung mit der Konfirmandenarbeit und im Kontakt zu Schulen, stattfindet, umso mehr wird der Bedarf nach gezielten Angeboten der Jugendseelsorge deutlich werden, für die es Mitarbeitende und einen geschützten Raum geben muss.
- Nicht zuletzt kann das Presbyterium dafür Sorge tragen, dass der Pfarrerin oder dem Pfarrer Frei-Raum für die seelsorgliche Tätigkeit bleibt.