B  Gemeindeleitung

 

3  Beschlussfassung im Presbyterium

 

Das Presbyterium hat wie jedes eigenständige Organ in einer Organisation bestimmte Kompetenzen und Aufgaben, es wird nach einem geordneten Verfahren gebildet (Wer macht mit?), arbeitet nach bestimmten Regeln (Wie wird gearbeitet?) und hat konkrete Aufgaben (Was ist zu tun?).

Für die Abstimmung sieht die Kirchenordnung einige Besonderheiten vor. Dazu gehört das Bestreben nach Einmütigkeit (Artikel 66 Absatz 1) sowie die Regel, wonach Enthaltungen bei Abstimmungen ebenso wenig gezählt werden wie ungültige Stimmen (Artikel 66 Absatz 2 Satz 2).

Für Abstimmungen in Gremien gibt es allgemeine Grundsätze und konkrete Regeln. Das Streben nach Einmütigkeit ist eine allgemeine Regel, die im Kirchenrecht besonders ausgeprägt ist.

Im westfälischen Kirchenrecht sollen sich die Mitglieder im Presbyterium nicht damit zufrieden geben, dass im nackten Interessenkampf eine (knappe) Mehrheit immer wieder über eine große Minderheit siegt. Das Ziel der gemeinsamen Leitung der Gemeinde wird nämlich nicht dauerhaft erreicht werden können, wenn die Mitglieder im Presbyterium sich in gegnerische Gruppen spalten, die nur noch um Mehrheiten kämpfen. Das schließt natürlich nicht aus, dass es in konkreten Fällen zu einer Mehrheitsentscheidung kommt, die dann auch von allen gemeinsam getragen wird. Einmütigkeit meint hier, dass das Ziel, gemeinsam für die ganze Gemeinde die Verantwortung zu tragen, nicht aus dem Blick gerät und die getroffene Entscheidung unabhängig vom individuellen Abstimmungsverhalten gemeinsam getragen wird.

Zu den Regeln der Beschlussfassung im Presbyterium zählen solche, die die Beschlussfähigkeit beschreiben, die das Stimmrecht zuweisen, die die Abstimmungsformen beschreiben und die das Auszählen regeln.

Ein Presbyterium ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seines verfassungsmäßigen Mitgliederbestandes anwesend ist. Es kommt also hier darauf an, wie viele Stellen das Presbyterium überhaupt hat, wobei die Zahl der Pfarrstellen die Gruppe der Mitglieder von Amts wegen (Pfarrerinnen und Pfarrer) ausmacht und die Zahl der Presbyterstellen die Gruppe der gewählten Mitglieder (Presbyterinnen und Presbyter) umfasst (Artikel 58 Absatz 3 KO). Es kommt für die Berechnung der Beschlussfähigkeit also nicht darauf an, ob alle Stellen auch besetzt sind. Wenn beispielsweise eine von drei Pfarrstellen aktuell nicht besetzt ist, ändert sich die für die Beschlussfähigkeit festzustellende Anwesenheitszahl nicht. Wenn im beispielsweise 3 Pfarrstellen und 12 Presbyterstellen zusammen den verfassungsmäßigen Bestand von 15 Stellen ergeben, dann ist das Presbyterium immer erst bei 8 Anwesenden beschlussfähig. Auch wenn tatsächlich nur zwei Pfarrerinnen oder Pfarrer anwesend sein können, weil die dritte Stelle vakant ist, es also aktuell nur 14 Mitglieder des Presbyteriums gibt, wird die Beschlussfähigkeit nach der Stellenzahl berechnet, und von den 14 Personen müssen 8 anwesend sein.

Stimmrecht haben zunächst alle Mitglieder des Presbyteriums. Im Fall der sog. „persönlichen Betroffenheit“ (Befangenheit) muss sich ein Mitglied vor der Beratung und Beschlussfassung (Abstimmung) aus der Sitzung entfernen und darf sein Stimmrecht dann nicht ausüben (Artikel 67 KO). Befangenheit liegt jedoch nur bei einer konkreten und individuellen Betroffenheit vor. Wenn es das betroffene Mitglied des Presbyteriums wünscht, ist es vorher, also vor Beginn der Beratung, anzuhören.

Die Stimmabgabe (Votum) kann für oder gegen einen Beschlussvorschlag lauten, sie kann als Enthaltung abgegeben werden oder sie kann ungültig sein. Ungültige Stimmen sind allerdings nur im schriftlichen Verfahren möglich. Es ist nicht möglich, sich an einer Abstimmung trotz Anwesenheit nicht zu beteiligen.

Die Kirchenordnung unterscheidet zwischen Abstimmungen und Wahlen, wobei Wahlen immer Personalentscheidungen sind.

Bei Abstimmungen entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (Voten). Dabei ist zu beachten, dass weder Enthaltungen noch ungültige Stimmen bei der Berechnung mitgezählt werden dürfen (Artikel 66 Absatz 2 KO). Wenn beispielsweise der verfassungsmäßige Bestand eines Presbyteriums 15 Mitglieder umfasst (3 Pfarrstellen und 12 Presbyterstellen) und alle Stellen auch besetzt sind, kann eine Abstimmung wie folgt aussehen: 10 Ja, 2 Nein und 3 Enthaltungen. Der Beschlussvorschlag ist also mit 10 Stimmen angenommen. Ähnlich in folgendem Beispiel: In der Sitzung sind 8 von 15 Mitgliedern anwesend, die Sitzung ist beschlussfähig, weil mehr als die Hälfte (15 : 2 = 7,5, und 7,5 < 8) anwesend sind. Von diesen acht Personen enthalten sich fünf, eine stimmt gegen den Vorschlag und zwei dafür. Da die Mehrheit der abgegebenen Stimmen maßgeblich ist und zu den abgegebenen Stimmen nur die „Ja-“ und „Nein-Stimmen“ (Richtungsvoten) zählen, sind 2 (Ja-Stimmen) die Mehrheit von 3 (abgegebenen Stimmen), und die Sache ist damit entschieden. Der Beschlussvorschlag ist mit zwei Stimmen angenommen. Man merkt aber sofort, dass eine solche Entscheidung – auch wenn sie technisch korrekt ist – kein starkes Fundament darstellen kann.

Bei Wahlen ist gewählt, wer die meisten Stimmen erhält – wenn nicht für die Wahl besondere andere Regeln gelten. Beispiel: bei drei Kandidaten (A, B, C) und 15 Mitgliedern im Presbyterium erhält A 5, B 4, und C 3 Stimmen, während sich alle anderen (3) enthalten. Hier ist A gewählt, weil A die meisten Stimmen erhalten hat. Wenn A 3, B 2 und C 1 Stimme erhalten und sich die anderen (9) enthalten, ist ebenfalls A gewählt, weil A die meisten Stimmen erhalten hat. Eine Besonderheit bei Wahlen ist die Entscheidung bei Stimmengleichheit durch Los (Artikel 66 Absatz 3 Satz 2 KO). Wenn auf die Personen A, B und C jeweils 5 Stimmen fallen, entscheidet das Los.

Eine entsprechende besondere Regelung gilt für die Pfarrwahl (§ 11 Absatz 1 Gemeindepfarrstellenbesetzungsgesetz). Hier ist die sogenannte verfassungsmäßige Mehrheit erforderlich. Wenn also ein Presbyterium 15 Mitglieder hat, muss die Kandidatin oder der Kandidat mindestens acht Stimmen auf sich vereinigen, um gewählt zu sein. Besondere Regelungen sieht die KO auch für die Wahl der Superintendentin oder des Superintendenten durch die Kreissynode vor (Artikel 108 Absatz 4 Satz 6 KO: „Die Superintendentin oder der Superintendent bedarf zur Wahl der Mehrheit der Stimmen der Mitglieder der Kreissynode“).

 

weiter zur nächsten Seite »