B Gemeindeleitung
1 Einleitung
In der Kirchengemeinde lebt Kirche vor Ort. Hier werden Menschen gewonnen, hier wird Mitgliedschaft gestärkt, Glauben vermittelt und Ressourcen verantwortet. Die Kirchengemeinde als Körperschaft hat ist als Organisation im arbeitsteiligen Gefüge der Westfälischen Kirche beheimatet und verfolgt mit ihren Ressourcen (Mitarbeitende, Gebäude, Grundstücke, Finanzmittel, usw.) ein geistliches Ziel.
Die ca. 490 Kirchengemeinden in der westfälischen Kirche werden von Presbyterien geleitet. In einigen Landeskirchen wird das Leitungsorgan der Kirchengemeinde als Kirchenvorstand oder Gemeindekirchenrat bezeichnet.
Das Presbyterium leitet die Kirchengemeinde in gemeinsamer Verantwortung. Das heißt, auch wenn jedes Mitglied besondere Gaben und unterschiedliche Aufgaben hat, sieht die KO vor, dass jede und jeder zum Wohl der ganzen Kirchengemeinde Dienst tut und nicht etwa nur für eine bestimmte Interessengruppe oder einen bestimmten regionalen Bezirk da ist. Es ist deshalb auch nicht erforderlich, dass die Presbyterinnen und Presbyter aus allen Regionen (oder Straßenzügen) der Kirchengemeinde kommen müssen.
Leiten in der Gemeinde
Viele Fähigkeiten sind zur Leitung nötig. Auch ein Katalog, wie der folgende, ist nicht vollständig, und niemand wird alles alleine erfüllen können. Aber im Zusammenspiel der Presbyteriumsmitglieder kann vieles daraus zum Tragen kommen:
- Grundlagen des christlichen Glaubens kennen und glaubwürdig vertreten.
- Eine Zukunftsvision der Gemeindearbeit entwickeln, die zum Handeln motiviert.
- Die Gesamtheit der Gemeinde im Blick behalten.
- Verantwortung für die Ressourcen der Körperschaft übernehmen.
- Das Ziel der Gemeinschaft von Frauen und Männern in Handlungen und Beschlüssen des Presbyteriums eintragen.
- Sich zur Verfügung stellen, auch für einfache Dienste.
- Ziele setzen, sie deutlich formulieren und überprüfen.
- Klare Beauftragungen aussprechen.
- Zu einem Ergebnis führen.
- Entscheidungsprozesse strukturieren.
- Beteiligung an Entscheidungen organisieren.
- Informationen fließen lassen.
- Fähigkeiten anderer wahrnehmen.
- Andersartigkeit achten.
- Eigenständigkeit ermöglichen.
- Delegieren können.
- Im richtigen Moment eigene Macht abgeben.
- Mut haben, wunde Punkte zu benennen und ein erkennbares Gegenüber zu sein.
- Kompetenzen der Mitarbeitenden stärken, sie motivieren und ihnen Möglichkeiten eröffnen.
- Um Mitarbeit bitten können.
- Zeit haben für Mitarbeitende.
- Zuhören.
- Anerkennung aussprechen.
- Beziehungen zu Gemeindegliedern (auch zu distanzierten) herstellen und entwickeln.
Die Rolle der Pfarrerinnen und Pfarrer in der Kirchengemeinde ist in der Kirchenordnung ebenso beschrieben (Artikel 19–32) wie die der Presbyterinnen und Presbyter (Artikel 35–43). Die Rolle der Pfarrerinnen und Pfarrer unterscheidet sich von der Aufgabe und Verantwortung weiterer Mitarbeitender in der Kirchengemeinde (vgl. Artikel 18). Pfarrerinnen und Pfarrer haben Theologie studiert und sind nach dem Vikariat in den Dienst der Kirche übernommen und ordiniert worden.
Ordinierte Theologen werden zur Pfarrerin oder zum Pfarrer der Kirchengemeinde durch die Wahl in die gemeindliche Pfarrstelle. Das Pfarrwahlrecht der Kirchengemeinde übt das Presbyterium aus. Pfarrerin oder Pfarrer der Gemeinde sind zugleich von Amts wegen Mitglied im Presbyterium. Pfarrerinnen und Pfarrer, die nicht in eine Pfarrstelle gewählt wurden, verbleiben im Entsendungsdienst. Sofern ihr Dienstauftrag in der Kirchengemeinde liegt, nehmen sie beratend an den Presbyteriumssitzungen teil (Artikel 59 Absatz 2 KO).
Pfarrstellen in Kirchengemeinden, in Kirchenkreisen sowie in kirchlichen Verbänden und auf landeskirchlicher Ebene werden von der Landeskirche eingerichtet. In der Kirchengemeinde ist das Presbyterium das Wahlgremium für die Pfarrwahl. Durch die Pfarrwahl wird der Dienstort der Pfarrerinnen und Pfarrer bestimmt, meistens eine Kirchengemeinde. Die Dienstgeberin bleibt die Landeskirche. Alle gewählten Pfarrerinnen und Pfarrer bleiben unbeschadet ihres konkreten örtlichen Dienstauftrages dem Kirchenkreis und der Landeskirche zum Dienst verpflichtet (Artikel 21 Absatz 2 KO).
Warum werden Pfarrerinnen und Pfarrer nicht wie andere Kräfte in der Kirchengemeinde angestellt, sondern in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis in der Landeskirche beschäftigt? Zunächst ist festzuhalten: In anderen Ländern und in anderen historischen Situationen kann die Organisation des Pfarrberufes anders geordnet sein. Die in der EKD eingeübte und tradierte Form des Pfarrberufes ist nicht zwingend – aber sie ist wohl begründet (siehe Beschluss der Landessynode 2007 „Pfarrberuf mit Zukunft“).
Pfarrerinnen und Pfarrer haben die Aufgabe, das Evangelium zu verkündigen und die Sakramente (Abendmahl und Taufe) zu reichen. Beides setzt nach evangelischem Verständnis theologische Bildung und Freiheit des Gewissens voraus.
Die theologische Bildung wird durch kirchliche Examen nachgewiesen und durch Fortbildungen und Kontakt innerhalb von Pfarrkonventen aktualisiert und gesichert. Dabei ist neben individuellem Wissen und Können auch die Verständigung über die zentralen Fragen des Glaubens – wie sie beispielhaft in den Bekenntnisschriften festgehalten sind – eine unerlässliche Voraussetzung für die Einheit der Kirche.
Pfarrerinnen und Pfarrer sollen in ihren geistlichen Aufgaben nicht abhängig sein von Einflussnahmen Einzelner, die möglicherweise eigene Interessen mit der Verkündigung und der Spendung der Sakramente vermischen würden. Diese Freiheit zu wahren ist eine wichtige Aufgabe der Landeskirche. Deshalb soll die Pfarrerin oder der Pfarrer bei der Verkündigung in der Kirchengemeinde vom Gewissen her frei sein und nicht unmittelbar unter dem Einfluss einzelner Personen, des Presbyteriums oder Gruppen in der Gemeinde stehen. Beides, die theologische Bildung sowie die geistliche Freiheit, werden im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis bei der Landeskirche gesichert.