D Gemeinschaft von Kirchen
1 Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE – Leuenberger Kirchengemeinschaft)
Die Neubesinnung auf das Evangelium im Reformationszeitalter hat ungewollt nicht nur eine Kirchenspaltung, sondern auch eine immer weiter gehende Spaltung innerhalb des Protestantismus zur Folge gehabt. Immer wieder aber gab es Versuche, diesem Auflösungsprozess Einhalt zu gebieten. Die ökumenische Bewegung des 20. Jahrhunderts und der Kirchenkampf haben den Einheitsgedanken neu belebt. Die Kirchen stehen vor der Frage, welche Konsequenzen sich aus der in Christus gegebenen Einheit aller getauften Christen ergeben – für den Bekenntnisstand wie für die Kirchengemeinschaft mit anderen Kirchen.
Im März 1973 kamen mehrjährige lutherisch-reformierte Gespräche auf dem Leuenberg bei Basel zum Abschluss, die eine weitgehende schriftlich formulierte Übereinstimmung (Konkordie) erbrachten. Diese Konkordie wurde allen lutherischen, reformierten und unierten Kirchen in Europa mit der Bitte um eine förmliche Zustimmung übersandt. Sämtliche Gliedkirchen der EKD haben diese erteilt, die westfälische Kirche auf Beschluss der Landessynode 1975 als eine der Ersten. Durch eine zusätzliche Vereinbarung ist 1997 auch die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland der Leuenberger Kirchengemeinschaft beigetreten. Heute besteht sie aus 94 Mitgliedskirchen sowie vier beteiligten Kirchen. Mit der Europäischen Baptistischen Föderation besteht seit 2010 eine Kooperationsvereinbarung. Damit ist ein Konsens hergestellt worden, wie es ihn seit der Reformation nicht gegeben hat.
Die unterzeichnenden Kirchen erkennen einander als Kirche Jesu Christi an, indem sie sich Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft gewähren. Diese schließt die gegenseitige Anerkennung der Ordination und die Ermöglichung der gemeinsamen Abendmahlsfeier ein.
Die Konkordie (in Auszügen abgedruckt im Evangelischen Gesangbuch, Seite 1381, Nummer 859) besteht aus vier Teilen.
- In Abschnitt I wird der Weg zur wachsenden Kirchengemeinschaft beschrieben, wobei das grundlegende Zeugnis der reformatorischen Bekenntnisse von ihren geschichtlich bedingten Denkformen unterschieden und das gemeinsame biblische Zeugnis auf die Herausforderungen der Gegenwart hin ausgelegt wird.
- Teil II erläutert das gemeinsame Verständnis des Evangeliums, wie es grundlegend in der Rechtfertigungsbotschaft und konkret in der Wortverkündigung wie in der Tauf- und Abendmahlsfeier der Kirche zum Ausdruck kommt.
- Teil III bespricht die seit dem 16. Jahrhundert bestehenden Streitfragen zwischen Lutheranern und Reformierten (Abendmahl, Christologie, Prädestination) und stellt fest, dass die bisher vollzogenen Verwerfungen die gegenwärtigen Lehraussagen der Kirchen nicht mehr treffen und somit kein Hindernis für Kirchengemeinschaft untereinander darstellen.
- Teil IV formuliert schließlich die Konsequenzen: Unter den unterzeichnenden Kirchen wird Kirchengemeinschaft festgestellt. Vorhandene Unterschiede in kirchlicher Lehre, Ordnung und Lebensform haben keine kirchentrennende Bedeutung.
Aus der anfänglich lockeren Struktur der „Leuenberger Kirchengemeinschaft“ entstand 2003 die kirchliche Organisation „Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa“ (GEKE), deren Geschäftsstelle seit 2018 dauerhaft in Wien angesiedelt ist. Theologischer Austausch, die Vertiefung der gottesdienstlichen Gemeinschaft und der Anspruch, die protestantische Stimme in Europa gegenüber Politik und Gesellschaft zum Ausdruck zu bringen, sind drei Kernziele der GEKE. Dabei sollen die Positionen ihrer Mitgliedskirchen zu gesellschaftspolitischen Fragen gebündelt in den Dialog mit den europäischen Institutionen eingebracht werden.
Das Modell der Kirchengemeinschaft als „Einheit in versöhnter Verschiedenheit“ ist das protestantische Modell der Ökumene, worüber mit den Kirchen anderer Traditionen ein offenes Gespräch gesucht wird.
Vertreter der Mitgliedskirchen kommen regelmäßig zu Vollversammlungen zusammen (zuletzt 2018 in Basel). Hier werden die Richtlinien für die Arbeit beschlossen. Der Rat der GEKE und das ihn leitende Präsidium koordinieren und begleiten die laufende Arbeit, insbesondere die Lehrgespräche, deren Ergebnisse in der Buchreihe „Leuenberger Texte“ veröffentlicht werden.
Die GEKE ist in sogenannten Regionalgruppen organisiert. Die EKvW ist Mitglied in der Nordwesteuropagruppe. Zu dieser gehören zwölf evangelische Kirchen aus Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Frankreich; Erweiterungen in den angelsächsischen Raum und nach Dänemark sind geplant.
Weitere Informationen unter www.leuenberg.eu.