E Andere Religionsgemeinschaften
4 Die Bahá‘í
Ihrem Selbstverständnis nach ist die Bahá’í-Religion eine eigenständige und unmittelbar von Gott geoffenbarte Religion. Geschichtlich ist sie Mitte des 19. Jahrhunderts aus dem schiitischen Islam Persiens hervorgegangen. Sie erinnert in ihren Lehren teilweise an den Islam, es handelt sich um einen strikten Monotheismus mit absoluter Transzendenz Gottes. Eine unmittelbare Kenntnis Gottes ist nicht möglich, jedoch seine sich in der Schöpfung spiegelnden Eigenschaften, seine Liebe und Barmherzigkeit. Außerdem wird Gott durch besondere Offenbarungsträger erkennbar. Diese „Manifestationen“ traten und treten in einer zeitlich fortschreitenden Reihe auf. Nach Lehren der Bahá’í gab es einen ersten Zyklus von Offenbarungen, der von Adam bis zu Mohammed reichte und die Weltreligionen entstehen ließ. Die dort verkündeten Gesetze und Wahrheiten waren für die jeweilige Epoche bestimmt. Mit dem Auftreten eines neuen Offenbarers, des Bab (arab.: Tor (zu Gott), Ehrentitel für Seyyid ͑Ali Muhammed Schirazi, 1819–1850) begann der neue Bahá’í-Zyklus bzw. der „Zyklus der Erfüllung“. Nach der Lehre der Bahá’í verkündete der Bab die Ankunft des auf ihn folgenden Offenbarers, des Bahá’u’lláh (arab.: Herrlichkeit Gottes, Ehrentitel für Mirza Husain-ʿAli Nuri, 1817–1892), der als Begründer der Bahá’í-Religion gilt. Noch weitere erwartete Offenbarungen zeigen, dass damit noch nicht das Ende der Offenbarungskette erreicht ist. Somit verstehen sich die Lehren der Bahá’í als göttliche Offenbarung für die Gegenwart und umgreifen als jetzt gültige Manifestation Gottes alles Vorhergehende. Dieses inklusivistische Religionsverständnis sieht alle Religionen im Kern als wesenseins und ihre Unterschiede als lediglich zeitbedingt an. Sie werden als Vorgängerreligionen zwar akzeptiert und gewürdigt, ihre Wahrheit aber aus Bahá’í-Sicht relativiert. Trotz aller Dialogbereitschaft dürften sich aber die hier versammelten Religionen nicht in ihrem Selbstverständnis wiederfinden.
Aufgrund ihrer Lehren sind die Bahá’í trotz ihrer eher geringen Mitgliederzahl von 5.000 bis 6.000 in Deutschland im interreligiösen Dialog erstaunlich präsent. Gemeinden bestehen unter anderem in Münster, Dortmund und in Ost-Westfalen, wo sie an interreligiösen Projekten teilnehmen (zum Beispiel Interreligiöses Gebet in Dortmund, Glaubens Garten auf der Landesgartenschau 2017 in Bad Lippspringe).