E Andere Religionsgemeinschaften
6 Religiosität asiatischer Herkunft
6.2 Inhaltliche Merkmale
Auffällig ist die Abwesenheit einer personalen Gottesvorstellung. Heil bzw. Erlösung geschieht nicht in der Beziehung zwischen Mensch und Gott, sondern gerade in der Aufhebung des Gegenübers von Immanenz und Transzendenz und im Zu-sich-selbst-Kommen des Menschen. Statt Sünde als gestörter Gottesbeziehung kennt der Buddhismus Unkenntnis und Verblendung, aus der sich der Mensch selbst befreien soll.
Jede und jeder Einzelne steht in der Verantwortung, sich dazu auf den Weg zu machen. Zentral ist der Zusammenhang von Karma und Reinkarnation: Die zukünftige Existenz (Reinkarnation) wird bestimmt durch das Handeln der Menschen, das sich im Karma niederschlägt. Dieses Karma hält den Kreislauf der Wiedergeburten in Gang.
Eine Reihe oft meditativer Techniken bieten dem Menschen Hilfestellung, sich von allen Weltbezügen zu lösen. Während in christlicher Tradition die Meditation eine Übung darstellt, mit deren Hilfe man vor Gott „still wird“, sich vor ihm sammelt und durch Bibelworte oder geeignete Texte den dreieinigen Gott in sich Gestalt werden lässt, ist sie im Kontext buddhistischer Religiosität nicht auf ein göttliches Gegenüber ausgerichtet, sondern stellt eine Konzentrationshilfe und Versenkungstechnik dar, um sich der kosmischen Gesetzmäßigkeiten bewusst zu werden, mit dem „Göttlichen“ in sich in Verbindung zu treten und zur „Erleuchtung“ zu kommen, d.h. zur Erkenntnis des „Nicht-Seins“. Zu asiatischen Meditationsformen gehören charakteristische Körperhaltungen, Atemtechniken, Visualisierungen (z.B. Mandalas), gemurmelte Silben oder kurze Sätze. Unumgänglich ist eine rituelle „Einweihung“ durch erfahrene Leiter.
Verschiedene alternative Heilmethoden beziehen sich auf die aus dem chinesischen Taoismus (Daoismus) stammende Vorstellung von einer universellen Lebensenergie Ki (andere Schreibweise: Chi oder Qi), die durch jedes Lebewesen fließt. Das Ki fließt in dieser Vorstellung in festgelegten Bahnen, den Meridianen, die in Verbindung mit Energieknotenpunkten entlang der Wirbelsäule, den „Chakren“, stehen. Diese seien bestimmten Körperbereichen, Gefühlen und religiöse Qualitäten zugeordnet. Zum Scheitelchakra gehöre dabei die spirituelle Verbindung mit dem Göttlichen. Durch unterschiedliche Techniken könnten Blockaden auf den Meridianen gelöst werden, damit das Ki wieder fließe und für einen harmonischen Ausgleich sorge.
Dies bildet den religiösen Hintergrund der verschiedenen Ki-Bewegungen, z.B. Akupunktur und Akupressur, Qi Gong, Tái Chi (Chuan), Reiki, Kinesiologie oder Feng Shui .
Äußerlich erscheinen diese Techniken als Dienstleistungsangebote. Der ursprüngliche Heils- bzw. Erlösungsweg wird auf eine Methode reduziert, transzendentes Heil wird zu etwas säkular Erfahrbarem, zu Wohlbefinden, Erfolg und Gesundheit.