E Andere Religionsgemeinschaften
6 Religiosität asiatischer Herkunft
6.3 Einschätzungen und Handlungsempfehlungen aus evangelischer Sicht
Das Zusammenleben mit Vertreter*innen der großen Weltreligionen Buddhismus und Hinduismus ist weitgehend problemlos. Begegnung, Dialog und Kooperation geschehen überwiegend auf lokaler Ebene. Hinduistische Tempel gibt es u.a. in Hamm und in Dortmund, die auch gerne Besuchergruppen empfangen. Überregionale Zusammenschlüsse hinduistischer Gemeinden bestehen jedoch nicht. Dies entspricht auch der religionswissenschaftlichen Einsicht, dass es sich beim Hinduismus streng genommen nicht um eine einzige Religion, sondern um eine Gruppe von miteinander verwandten Religionen handelt. Auch der Buddhismus begegnet in Westfalen eher in dialogbereiten Individuen und lokalen Organisationen, obgleich mit der Deutschen Buddhistischen Union ein Zusammenschluss diverser Gemeinschaften und Einrichtungen vorhanden ist.
Aus evangelischer Sicht spricht wenig gegen die Übernahme einzelner religiöser Aspekte, wenn etwa das Mandala-Malen der Ruhe und Konzentrationssteigerung dient oder Yoga- und Ki-Techniken zur Entspannung Anwendung finden. Viele Techniken und Übungen basieren auf langen Erfahrungen und Beobachtungen, so dass man ihnen ohne Weiteres Weisheit im Blick auf Gesetzmäßigkeiten der körperlichen Bewegungen zuschreiben kann, beispielsweise im Tái Chi. Ähnliches gilt für Akupunktur, Akupressur und für Qi Gong, die mit starken Reizen arbeiten. Allerdings sind Therapieerfolge, die über die allgemeine „Schulmedizin“ bzw. Placeboeffekte hinausgehen, nicht bekannt.
Wenn diese Dinge bei uns praktiziert werden, haben sie oft den Vorstellungsrahmen ihrer Ursprungsreligion verlassen und begegnen uns im Rahmen esoterischer Vorstellungen, bei denen wissenschaftliche Erkenntnisse mit esoterischen oder asiatischen Weisheiten vermischt werden.
Inwieweit solche partiellen Übernahmen ohne den religiösen Hintergrund möglich oder auch sinnvoll sind, wird auch unter den religiösen Vertreter*innen unterschiedlich gedeutet. Problematisch wird es sicherlich dort, wo nicht transparent offengelegt wird, welche spirituellen oder religiösen Aspekte mit übernommen werden. Dazu gehören auch spirituelle Einweihungen oder die Rolle erfahrener Meister.
Aus evangelischer Sicht sind die grundsätzlichen Unterschiede zum christlichen Glauben zu bedenken, insbesondere zum Gottes- und das Heilsverständnis. Die jüdisch-christliche Vorstellung des Menschen als Bild Gottes widerspricht der Bedeutungslosigkeit des individuellen Selbst. Wenn in biblischen Texten vom Sein „in Christus“ die Rede ist, so zielt das nicht auf ein Erleben von Leere oder kosmischer Einheit oder das Auflösen einer Ich-Du-Beziehung. Stattdessen kommt in der lebendigen Anwesenheit Christi unser Ich zu seiner eigentlichen Identität und Berufung.
Das Ziel christlichen Glaubens besteht nicht in der geistlichen Höherentwicklung, sondern in einem Leben aus Gottes Gnade. Spirituelle Erfahrungen sind aus christlicher Sicht nicht methodisch herbeizuführen.
Im Einzelnen ist immer zu prüfen, ob und wieweit Elemente aus dem religiösen Kontext ihrer Ursprungsreligion gelöst werden können, um sie in einen christlichen Deutungsrahmen zu stellen, der die Unverfügbarkeit der Gottesbegegnung erfahrbar macht.