G  Recht, Verwaltung und Finanzen

6  Finanzrecht

 

6.1  Kirchensteuer

Die Gemeindeglieder sind nach Art. 17 Abs. 2 der Kirchenordnung (KO) nicht nur aufgefordert, freiwillige Leistungen wie Spenden und Kollekten zu erbringen, sondern auch Pflichtabgaben, nämlich die Kirchensteuer, zu zahlen. Im staatlichrechtlichen Sinne handelt es sich um eine sog. Abgabe, also um eine echte Steuer. Kirchenrechtlich handelt es sich um den Beitrag des einzelnen Mitgliedes zu seiner Kirche.

Wegen ihres Steuercharakters ist die Kirchensteuer nicht zweckgebunden und deshalb planbare Größe für die kirchlichen Haushalte zur Erfüllung der kirchlichen Aufgaben. Sie ist die institutionelle Garantie der finanziellen Unabhängigkeit der Kirchen und berücksichtigt bei ihrer Erhebung Beitragsgerechtigkeit.

Die Kirchensteuer wird in Höhe von 9 Prozent auf die Lohn- und Einkommensteuer und seit 2001 als gestaffeltes besonderes Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe erhoben.

Seit dem 1. Januar 2009 werden Kapitaleinkünfte nur noch mit 25 Prozent Einkommensteuer belastet. Durch die Anbindung der Kirchensteuer an die Einkommensteuer wird hierauf – wie bisher – Kirchensteuer von 9 Prozent erhoben.

Bei der Entscheidung für die Einführung der Kircheneinkommensteuer und Kirchenlohnsteuer in Deutschland war maßgebliches Kriterium vor allem, dass bei diesem System eine möglichst weitgehende Steuergerechtigkeit erreicht werden kann. Das heißt, die individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines jeden Mitgliedes wird bei der Bemessung der Höhe der Kirchensteuer berücksichtigt (vgl. Markus 12,41–44). Die Mitglieder, die aufgrund ihres geringen Einkommens nicht leistungsfähig sind (steuerliches Existenzminimum im Jahr 2015: 8.472 €) werden von der Kirchensteuerpflicht ausgenommen, da dem Mitglied so viel verbleiben muss, als es zur Bestreitung seines Lebensunterhalts bedarf. Zudem erfolgt eine steuerliche Entlastung von Ehe und Familie (Art. 6 GG) durch Gewährung des Splittingtarifes und der Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen.

Mit dem besonderen Kirchgeld werden Kirchenmitglieder zu einem Beitrag veranlagt, die selbst über kein oder nur über ein geringes eigenes zu versteuerndes Einkommen verfügen und deren Ehegatte nicht oder nicht mehr Kirchenmitglied ist.

Maßgebender Grund für die Einführung des besonderen Kirchgelds war das Gebot der Steuergerechtigkeit. Nach den rechtlichen Bestimmungen über das besondere Kirchgeld werden nicht mehr nur solche Gemeindeglieder an der Finanzierung ihrer Kirche beteiligt, die aufgrund eigener Einkünfte Lohn- oder Einkommensteuer zahlen. Vielmehr wird in geringem und damit angemessenem Maße auch die Leistungsfähigkeit berücksichtigt, die aus dem der ehelichen Lebensgemeinschaft zur Verfügung stehenden Einkommensanteil resultiert.

Der Einzug der Lohn- und Einkommenskirchensteuer und des besonderen Kirchgeldes erfolgt zusammen mit der staatlichen Lohn- und Einkommensteuer durch die staatlichen Finanzämter, die hierzu von der Kirche beauftragt sind. Damit erspart sich die Kirche einen immensen Verwaltungsapparat. Denn immerhin leistet im statistischen Durchschnitt aller Kirchenmitglieder jeder rd. 220 € jährlich. Dabei zahlen Kinder in aller Regel nichts, ebenso wie Arbeitslose, Geringverdiener und zurzeit noch ein Großteil der Rentner.

Der Kirchensteuereinzug ist eine sog. gemeinsame Angelegenheit von Staat und Kirche. Wegen der nach dem Grundgesetz bestehenden Kulturhoheit der Länder gibt das Land Nordrhein-Westfalen mit seinem Kirchensteuergesetz den hiesigen Kirchen einen Rahmen für den Kirchensteuereinzug vor. Die steuerberechtigten Kirchen, das sind gem. Art. 137 Abs. 6 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG die Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, müssen sich auf dieser landesrechtlichen Grundlage eine Steuerordnung geben, wenn sie Kirchensteuern erheben wollen. In der EKvW ist für den Erlass der Kirchensteuerordnung die Landessynode zuständig, denn es handelt sich um ein Kirchengesetz. Außerdem beschließt sie jährlich auf beiden gesetzlichen Grundlagen, also auf dem staatlichen Kirchensteuergesetz NRW und der Kirchensteuerordnung, den Hebesatz, also den Prozentsatz, der den Kirchenmitgliedern als Kirchensteuer aufgegeben werden soll (derzeit 9 Prozent), und die Tabelle, aus der sich die Höhe des besonderen Kirchgelds ergibt.

Seit einigen Jahren gibt es ein kostenfreies Kirchensteuertelefon. Die Telefonnummer (0800 3547243) findet sich in allen Steuerbescheiden der Finanzverwaltung, die an die Steuerpflichtigen versandt werden, wenn sie neben der Einkommensteuer auch die Kirchensteuer betreffen. Hier werden alle Fragen rund um die Kirchensteuer von Fachleuten der Gemeinsamen Kirchensteuerstelle beim Landeskirchenamt beantwortet. Von dieser Stelle werden die Kirchensteuern von den staatlichen Finanzämtern angenommen und gemäß dem Verteilungsbeschluss der Landessynode an die Kirchenkreise und die Landeskirche überwiesen. Außerdem werden von ihr Beschwerden und Rechtsbehelfe gegen die Kirchensteuer entschieden. Die Fachaufsicht über die Gemeinsame Kirchensteuerstelle obliegt einem Verwaltungsausschuss, in den jeder Kirchenkreis eine Vertreterin oder einen Vertreter entsendet, weil in der EKvW jeweils die Kirchengemeinde oder ggf. ein mit Steuerhoheit ausgestatteter Verband von Kirchengemeinden Steuergläubigerin bzw. Steuergläubiger ist.

 

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