G Recht, Verwaltung und Finanzen
6 Finanzrecht
6.6 Kirchliches Dienst- und Arbeitsrecht
Die mannigfachen Dienste im Raum der Kirche erfordern neben der engagierten Arbeit ehrenamtlich helfender Gemeindeglieder eine große Zahl hauptberuflich und nebenberuflich tätiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Neben den Pfarrerinnen und Pfarrern (Art. 1 ff. KO) nennt die KO in den Art. 44 ff. beispielhaft verschiedenste Mitarbeitergruppen mit kurzer Skizzierung üblicher Aufgabenfelder. Die modernen Formen kirchlicher Arbeit haben darüber hinaus, besonders in der Diakonie, zur Entwicklung weiterer kirchlicher Berufe geführt. Der Berufgruppenkatalog der Vergütungsordnungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst gibt hierzu einen weitgefächerten Überblick.
Pfarrerinnen und Pfarrer
Pfarrerinnen und Pfarrer sind, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Kirche tätig. Ihre Rechtsstellung ist in der KO sowie im Pfarrdienstgesetz mit Einführungs- und Ausführungsgesetz geregelt.
In privatrechtlichen Dienstverhältnissen tätige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
1. Das Arbeitsrecht – also die Rechtsverhältnisse der in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis tätigen Mitarbeitenden – wird von staatlichen Schutzbestimmungen geprägt, z.B. dem Mutterschutzgesetz, dem Kündigungsschutzgesetz, dem Schwerbehindertenrecht oder dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Diese Bestimmungen gelten für die Kirche genauso wie für andere Arbeitgeber. In diesem Rahmen wird das Tarifrecht im kirchlichen Raum auf der Grundlage des Arbeitsrechtsregelungsgesetzes vom 25. Oktober 1979 durch eine paritätisch besetzte Arbeitsrechtliche Kommission beschlossen. Dieses Verfahren wird als „Dritter Weg“ bezeichnet gegenüber der Setzung des Tarifrechts durch Tarifverträge als dem „Zweiten Weg“. Eine Zusammenfassung aller für die Arbeitsverhältnisse geltenden tariflichen Vorschriften, wie sie von der Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossen sind, findet sich in der Sammlung „Das Recht in der Evangelischen Kirche von Westfalen“, die in jedem Pfarramt oder Gemeindebüro einzusehen ist.
2. Bei der Einstellung von Mitarbeitenden ist besonders zu bedenken: Das Tarifrecht gilt für alle Arbeitsverhältnisse, unabhängig vom Umfang der Tätigkeit, also auch für die sogenannten geringfügigen Tätigkeiten. Ausnahmen sind bereits nach den Vorgaben des staatlichen Arbeitsrechtes nicht möglich.
Abzugrenzen sind die Arbeitsverhältnisse von selbstständiger Arbeit auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung. Die Frage, ob im Einzelfall ein Arbeitsvertrag oder ein Dienstvertrag mit der Möglichkeit der Honorarabrechnung vorliegt, ist gleichbedeutend mit der Frage, ob aufgrund des Vertrages fremdbestimmte oder selbstständige Arbeit zu leisten ist.
Für ein Arbeitsverhältnis spricht, wenn
- der Dienstberechtigte dem Dienstverpflichteten Weisungen erteilen darf (selbstständige Arbeitsdurchführung spricht für ein Dienstverhältnis);
- der Dienstpflichtige verpflichtet ist, bestimmte Arbeitszeiten einzuhalten;
- der Dienstpflichtige die Arbeit an einem zugewiesenen Arbeitsplatz an einem bestimmten Ort verrichten muss, sofern die Tätigkeit nicht schon wegen ihrer Natur an einem bestimmten Ort erbracht werden muss;
- der Dienstpflichtige in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist;
- die Arbeitskraft des Dienstpflichtigen ganz oder überwiegend durch die vertragliche Beschäftigung in Anspruch genommen wird (Tätigwerden für mehrere Dienstberechtigte spricht eher für einen Dienstvertrag);
- der Dienstberechtigte das Unternehmerrisiko sowie die Kosten der Arbeitsausführung zu tragen hat, ihm aber das Ergebnis der Arbeit zugutekommt.
Nicht maßgeblich sind dagegen die Art der Vergütung, die Bezeichnung im Vertrag und formale Abgrenzungsmerkmale wie die steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Behandlung durch die Vertragsparteien.
Weiterhin ist im Einzelfall zu prüfen, ob nicht auch ein Werkvertrag vorliegt und deshalb die Bindungen des Arbeitsrechtes entfallen. Gegenstand des Werkvertrages ist gemäß § 631 Abs. 1 BGB die Herstellung eines Werkes. Im Unterschied zu Dienst- und Arbeitsverträgen, bei denen nur die Tätigkeit als solche geschuldet wird, wird beim Werkvertrag ein bestimmtes Arbeitsergebnis geschuldet. Zu beachten ist, dass der Werkbesteller nach § 645 Abs. 1 BGB ein werkvertragliches Weisungsrecht besitzt. Dieses ist vom arbeitsvertraglichen Weisungsrecht abzugrenzen. Ist die Weisung gegenständlich auf die zu erbringende Werkleistung beschränkt, spricht dies für einen Werkvertrag. Wird der Gegenstand der Werkleistung jedoch erst durch die Weisungen bestimmt oder werden persönlich bindende Weisungen erteilt, spricht dies für ein Arbeitsverhältnis.
Die oft sehr schwierige Abgrenzung zwischen Arbeitsvertrag, freiem Dienstvertrag und Werkvertrag sollte in allen Grenzfällen unter Einbeziehung der Beratung des Kreiskirchenamtes erfolgen. Eine Klarstellung ist wichtig, um im Einzelfall die Gemeinde nicht dem Vorwurf der Schwarzarbeit oder des Vorenthaltens von Sozialversicherungsabgaben auszusetzen.
3. Für den Abschluss von befristeten Verträgen, z.B. für Vertretungen im Krankheitsfall im Kindergarten, ist die Schriftform besonders wichtig:
Im Falle einer mündlichen Absprache – auch mündlich abgeschlossene Arbeitsverträge sind grundsätzlich voll wirksam – würde die gleichzeitige mündliche Vereinbarung der Befristung gemäß § 14 Abs. 4 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes nichtig sein, weil das Gesetz für die Wirksamkeit einer Befristung ausdrücklich die Schriftform vorsieht; der spätere schriftliche Abschluss eines bereits mündlich abgeschlossenen Arbeitsvertrages würde die Befristung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nicht mehr herstellen!
Deshalb sollte im Vertretungsfall erst dann die Arbeit aufgenommen werden, wenn – z.B. im Wege des Art. 71 KO durch den Vorsitzenden des Presbyteriums oder auch durch ein bevollmächtigtes Mitglied des Presbyteriums unterzeichnet – ein (befristeter) Vertrag schriftlich abgeschlossen worden ist oder zumindest eine von beiden Seiten unterzeichnete Befristungsabrede vorliegt.
Bearbeitung, Stand 2016