A  Verständnis und Auftrag von Gemeinde und Kirche

 

2  Theologische Aspekte der Leitungsverantwortung des Presbyteriums

 

2.5  Geistliche Gemeinschaft

Das Presbyterium ist die geistliche Leitung der Kirchengemeinde. Dies soll im Gottesdienst, bei öffentlichen Anlässen, im Alltag der Gemeindearbeit, aber auch bei jeder einzelnen Sitzung des Gremiums deutlich werden.

Am Anfang einer Presbyteriumssitzung soll nach der Kirchenordnung (vgl. Artikel 65 Absatz 2 KO) eine geistliche Besinnung stehen. Sie soll zugleich Ausgangspunkt und Leitlinie für die Beratungen und Verhandlungen sein.

Häufig wird die Sitzung mit der Lesung der Tageslosung der Herrnhuter Brüdergemeine oder der täglichen Bibellese eröffnet. Dies sind nur zwei von vielen Möglichkeiten. Wenn ein Bibeltext gelesen und ausgelegt wird, sollte darüber gesprochen werden. Ein Bibeltext kann auch in Bezug zur aktuellen Lage der Gemeinde oder zu Tagesereignissen oder zu einem zu verhandelnden Tagesordnungspunkt stehen. Dann muss ausführlich Gelegenheit gegeben werden, darüber zu reden.

Die Erfahrung zeigt, dass das gemeinsame geistliche Gespräch im Presbyterium Übung braucht. Manchmal scheuen sich Presbyterinnen und Presbyter, im Gespräch über solche Fragen ihre persönliche Meinung zu äußern. Manchmal sind Pfarrerinnen oder Pfarrer zu beherrschend, manchmal lähmen innere Spannungen im Presbyterium die gemeinsame Besinnung. Es ist der richtige Weg, Mängel an Offenheit und Kollegialität im Gespräch über einen Bibeltext zu entdecken und möglicherweise zu überwinden, statt dies von den Verhandlungen der Tagesord­nungspunkte zu erwarten. Auch ein Presbyterium kann sich in seinem Arbeitsstil beraten lassen.

Eine andere Art geistlicher Besinnung ist das gemeinsame Gebet bei der Eröffnung der Sitzung. Es setzt eine gewisse Erfahrung und zugleich Vertrautheit im Umgang miteinander und im Aussprechen der eigenen Gedanken voraus. Möglich ist ferner die Meditation über ein Bild, die Besprechung eines aktuellen Zeitungsausschnitts, einer Tagesfrage oder das gemeinsame Einüben eines neuen Liedes. In all diesen Formen ist wichtig, dass sich möglichst viele Presbyterinnen und Presbyter beteiligen, damit ihre Gaben, Lebenserfahrungen und Einstellungen ausgesprochen werden. Es hat sich vielfach gezeigt, dass die Zeit, die man sich für Andacht, Gebet und Meditation nimmt, nicht verlorene, sondern gewonnene Zeit ist. Gleichwohl können biblische Auslegung, gemeinsames Gebet oder Aussprache über Lebens- und Glaubenserfahrung im Rahmen einer Sitzung immer nur begrenzten Raum einnehmen. Es ist hilfreich, die Zeit dafür vorher festzulegen. Presbyterinnen und Presbyter brauchen auch für sich selbst besondere Angebote und Schwerpunkte geistlicher Besinnung. Manche Presbyterien feiern mit dem Kreis der Mitarbei­tenden ihrer Kirchengemeinde besondere Gottesdienste mit gemeinsamer Abend­mahlsfeier. In den Worten, Auslegungen und im gemeinsamen Gespräch während solcher Feiern wird auf die besondere Situation als Mitarbeitende oder Verantwortliche in einer Kirchengemeinde Bezug genommen. Bei entsprechender Vorbereitung kann sich jede und jeder auf die ihr oder ihm angemessene Weise an der Feier des Gottesdienstes beteiligen. Gerade das gemeinsame Mahl (vielfältige Praxisformen sind dazu ausgearbeitet worden) stärkt die Verbundenheit untereinander für gemeinsames Handeln im selben Auftrag.

 

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